Dienstag, 1. Dezember 2009

Nokia Night of the Proms (01.12.2009, König-Pilsener-Arena, Oberhausen)

Meine dritte "Nokia Night of the Proms" - wie die beiden Jahre zuvor auch dieses Mal eine Einladung - wartete mit ganz besonderen Gaststars auf: Roxette! Bereits seit Anfang der 90er Jahre haben sich Marie Fredriksson und Per Gessle, in erster Linie durch "Joyride" und "How do you do!" in den Anfangszeiten, danach natürlich durch die unverwüstlichen Evergreens "Listen to your heart", "Fading like a flower", "Spending my time" und viele weitere tolle Songs zu einer meiner Lieblingsbands gemausert. In den letzten Jahren wurde es ruhig - der Erfolg ließ nach, Sängerin Marie erkrankte an einem Hirntumor... Aber nun die ersten Schritte in Richtung Comeback - im Hinterkopf natürlich bei vielen Fans immer der Gedanke, wie Roxette sich nun präsentieren, ob die Stimme hält - und ob mit einem neuen Album, vielleicht sogar weiteren Live-Konzerten in Deutschland zu rechnen ist. Bereits Anfang bis Mitte des Jahres waren die Schweden als Special Guests für die "Nokia Night" angekündigt und ich spielte schon geraume Zeit mit dem Gedanken eine Karte auf eigene Rechnung zu erstehen. Glücklicherweise ergab sich hier die Möglichkeit der kostenlosen Einladung in einer der Logen in der Oberhausener König-Pilsener-Arena. Natürlich inklusive freier Getränke und einem Büffet. Mit Mini-Schnitzeln und Frikadellen - zum Nachtisch Apfelringe mit Vanillesoße - ließ es sich gut leben. An dieser Stelle sehen wir über die Kartoffelsalat-Plörre großzügig hinweg. Neben dem üblichen klassischen Programm (unter anderem der "Blumenwalzer", "La Carneval Romain oder "Allegro con spirito") standen "Christina Stürmer" (mit Ende 20 für meine Begriffe noch etwas jung für die Night of the Proms, bei der ein Altersschnitt von um die 50 - sowohl auf der Bühne als auch davor - fast schon zum Usus gehört), "Alan Parsons" (in den 70er und 80er Jahren eine gefeierte Größe in Deutschland) und die 80er-Jahre-Combo "Heaven 17" (außer "Temptation" war da allerdings nicht wirklich mehr) auf dem Programm. Vielversprechend. Dazu gesellten sich noch die unbekannten Kantona-Twins und Urgestein John Miles.

Christina Stürmer, mit 28 Jahren die mit großem Abstand jüngste Künstlerin der Veranstaltung, setzte mit kräftigem, guten und auch gefühlvollen Live-Gesang die Messlatte von Beginn an ziemlich hoch. "Ich lebe" mit Power, "Mama" sorgte für Feuerzeug-Atmosphäre. Nicht nur musikalisch ein sehr guter Einstieg - auch optisch nett anzusehen. Glücklicher Weise nicht das letzte Mal an diesem Tag, dass man die Österreicherin in Aktion sehen durfte. Etwas später im Verlauf des Abends gab es noch einen dritten Song - "Engel fliegen Einsam". Ebenfalls eine hervorragende Nummer.

Die Kantona-Twins, zwei Gitarre spielende Zwillinge Anfang 40 aus Ungarn, waren dagegen nicht mehr als Pausenfüller. Dauerhaft mit der akustischen Gitarre unterwegs, fanden beide zwar sowohl mit eher klassischen Klängen als auch dem einzigen vorzeigbaren Medley aus "Bad", "Black or White" und "Smells like teen spirit" beim Publikum Anklang, konnten bei mir mit dem "Dauergeschrammel" jedoch nur wenig Eindruck schinden. Schnelles Spiel, große Fingerfertigkeit, aber trotz Orchesterbegleitung und einiger ordentlichen Ansätze eben doch eher langweilig.

Wie fast immer in den Jahren zuvor hielt auch die Nokia Night of the Proms 2009 den Auftritt einer "80s-Band" bereit. In der Vergangenheit gehörten Alphaville, OMD oder auch die wirklich guten "Tears for Fears" 2008 dazu. Dieses Mal gaben sich "Heaven 17" die Ehre. Als eher unbekannt und lediglich mit "Temptation" zu größerem Ruhm gekommen einzustufen, konnte das Duo mit den weitaus prominenteren Vorgängern überhaupt nicht mithalten. Die Melodien zu schwach, das Keyboard eher dürftig zu hören. Die Stimmung mit "Tears for Fears" überhaupt nicht vergleichbar.

Die ca. 9.000 Zuschauer in der Halle waren zufrieden. Aber die fanden schließlich auch die Kantona-Twins gut... Wirklich schlecht war es nicht, aber die Zeit hätten Stürmer oder der noch folgende, überragende Alan Parsons viel effektiver nutzen können.

Und dann, zunächst relativ unbemerkt im Dunkel der Halle, fährt der kleine Bühnenfahrstuhl langsam nach oben, der Glitteranzug der Sängerin reflektiert erstes Scheinwerferlicht... Marie Fredriksson sitzt auf einem Hocker, Per Gessle und Begleitmusiker laufen auf die Bühne. Tosender Applaus, die Leute stehen auf und applaudieren frenetisch... Roxette sind da!

Der erste optische Eindruck: Wasserstoffblonde, kurze Haare, dazu die gewohnt schlanke Erscheinung. Die Leinwände zeigen eine gealterte Schwedin, die nach schwerer Krankheit und den mittlerweile auch schon 50 Jahren nicht mehr die Frische früherer Auftritte zeigt - verständlich. Wirklich erwartet hatte das aber wohl auch niemand.

Musikalisch gibt es mit dem Song "Wish I Could fly" vom Album "Have a nice day" - nun auch schon zehn Jahre alt - eine Überraschung. Zumindest von meiner Seite war klar "Crash! Boom! Bang!" favorisiert und erwartet worden. Nach dem Song ging es in die 45-minütige Pause, die Ankündigung des Moderators auf weitere Songs des Schweden-Duos ließ Vorfreude aufkommen.

Der zweite Auftritt sollte allerdings noch einige Zeit auf sich waren lassen. Alan Parsons, erneut Christina Stürmer, John Miles, die Katona Twins und natürlich auch klassische Zwischenspiele fanden noch vor dem finalen Auftritt von Roxette statt. Und auch hier gab es eindrucksvolle Highlights zu erleben.

Alan Parsons betritt die Bühne. Ein Mann wie ein Schrank, Anfang 60 und seit über dreißig Jahren im Musikgeschäft. Zur Unterstützung hatte er den Sänger PJ Olsson dabei. Parsons, der zwischen 1977 und 1990 acht Alben in den Top 6, davon vier auf Platz 1 der deutschen Charts platzieren konnte, eröffnete mit "Eye in the sky" sein viel zu kurzes Set. Völlig zu Recht gab es den erwartet großen Applaus.

Ob alleine oder in Kombination mit Olsson - jeder Ton sitzt perfekt. Bevor der Brite sich mit einem fulminanten "Games People Play" unter großem Beifall vom Publikum verabschiedet, glänzt Olsson mit "Silence and I" - ein Song, der sich - so wie eigentlich alle Alben des "The Alan Parsons Project" - sofort auf meine Wunschliste kommender CDs wiederfand. Insgesamt ein sehr guter Auftritt von Parsons, der hier in allen Belangen überzeugen konnte und definitiv eine Bereicherung war.

Im Gegensatz zu früheren "Nokia Night of the Proms" war über eine Stunde lang nichts von Dauergast John Miles zu sehen oder hören - eher ungewöhnlich. Aber im zweiten Teil der Show betrat er dann doch die Bühne. Bevor es von dem mittlerweile 60jährigen dessen größten Hit "Music" als finalen Song gab, überraschte er - begleitet von den Kantona-Twins an den Akustik-Gitarren - mit einer dem Original absolut ebenbürtigen Version des Led Zeppelin-Songs "Stairway to Heaven".

Aber vor dem großen Finale mit oben erwähntem John Miles, dem unvermeidlichen "Land of Hope and Glory" als Hymne der Nokia Night of the Proms und einem letzten gemeinsamen Auftritt aller Künstler auf der Bühne gab es nach dem "Bolero" von Maurice Ravel die erwartete Rückkehr von Roxette...

Erneut gab es riesigen Applaus vom Publikum für die beiden Schweden, welches sicherlich mit gemischten Gefühlen in Bezug auf Marie Fredriksson die Halle verließ. Stimmlich zeigte die 50jährige eine gute Vorstellung, keine Frage. Der Blick in ihr Gesicht zeigte jedoch auch eine etwas angestrengt und angespannt wirkende Sängerin. Die Lockerheit, die Leichtigkeit vergangener Tage fehlte sichtbar.

Die etwas unsicheren Bewegungen auf der Bühne wurden durch den Abgang noch deutlicher herausgestellt, als Fredriksson ohne Partner Per Gessle kaum einen Schritt tat, die Treppe an der Bühne mit beiden Händen am Geländer verließ. Wie im Nachhinein im Internet nachgelesen, ist ein eingeschränktes Sehvermögen im Dunkeln eine Folge des Hirntumors und erklärt somit die deutlich sichtbar beschränkte Bewegungsfreiheit.

Und musikalisch? Die Freude war natürlich groß, als Roxette ihre US-Nr. 1 Singles "The Look", "Listen to your heart", "Joyride" und "It must have been love" anstimmten. Bei letzterem Song, anfänglich unplugged vorgetragen - auch das Publikum stimmte ein - rutschte dann doch zweimal das Herz in die Hose... Textaussetzer bei Marie! Vielleicht nicht jedem aufgefallen, doch auch anhand von ihren Blicken konnte man erkennen, dass es ihr unangenehm war. Der auffälligste Patzer war sicherlich die Wiederholung von Teilen der ersten Strophe anstelle der zweiten, bei der Gessle schließlich die richtigen Zeilen anstimmte und Fredriksson kurzfristig übertönte.

An manchen Stellen, insbesondere bei "Listen to your heart", merkte man deutlich, dass Marie nicht die Kraft in der Stimme hat, Höhen nicht erreicht und das Niveau früherer Zeiten nicht erreicht. Schade - aber fast absehbar. Trotz der zwei Textunsicherheiten und des fehlenden Stimmumfangs legten Roxette einen - zu Recht - vielumjubelten Auftritt hin. Doch die Meinungen blieben verständlicherweise gespalten. Von "sie hat eine gute Stimme, kann gut singen" bis hin zu "längere Auftritte wird sie nicht durchstehen, vielleicht war es das letzte Mal, dass Roxette live aufgetreten sind" äußerten sich die Zuschauer teils stark widersprüchlich.

Fazit: Die "Nokia Night of the Proms 2009" hatte mit Alan Parsons und Roxette zwei überragende Headliner, die guten Christina Stürmer und John Miles ergänzten das Set hervorragend. Das klassische Beiwerk und die Kantona-Twins fanden bei den Zuschauern Anklang, konnten mich allerdings nicht überzeugen. "Heaven 17" traten in den 80ern nie live auf - und an diesem Abend hat man gesehen, dass man auch damals wohl nicht viel verpasst hat. Uninteressant.

Der Auftritt von Roxette lässt auf mehr hoffen, die offizielle Seite der Schweden im Internet kündigte einige Wochen nach der "Night of the Proms-Tour" erste Konzerte des Duos in Norwegen und Dänemark an - und die Fans sind noch immer da, wie die Vermeldung vom Verkauf aller 10.000 Karten belegt. Auch die Aufnahmen zu einem neuen Roxette-Album laufen. Es tut sich also was. Vielleicht wird es stimmlich nicht mehr für frühere Glanztaten reichen, aber Gessle und Fredriksson ist ein Comeback zuzutrauen - und vor allen Dingen zu wünschen.

Alan Parsons wird wohl wieder in der Versenkung verschwinden und nur mit sporadischen, kleinen Auftritten aufwarten können - schade.

Insgesamt ein Abend, der definitiv Spaß gemacht hat.

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